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Was ist ein Geschäft?


Ein Geschäft (business) wird realisiert über eine Hierarchie von Organisationseinheiten (organization), die Beziehungen (relations) untereinander haben. Die Geschäftsvision (vision) definiert die aktuellen Geschäftsziele (goals) und die Strategie (strategy). Geschäftsziele (business goals) können unterteilt werden in Vorhaben (objectives), die Akteuren (actors) zugeordnet sind. Akteure sind Angestellte (employees) oder Dienstleister (service provider). Ziele und Vorhaben werden definiert, verfolgt und bewertet durch Kennzahlen (measures). (Hinweis: measure lässt sich übersetzten mit Messzahl und Maßnahme. Das deutsche Wort Maßnahme steht aber inzwischen nicht mehr für Maß nehmen, sondern für die daraus resultierenden Handlungen.)

Geschäftstreiber (drivers) beeinflussen Geschäftsvisionen, Ziele und Vorhaben. Geschäftstreiber können diese mit der Zeit korrigieren oder komplett neu ausrichten. Geschäftstreiber können extern und intern wirken. Beispiele für externe Geschäftstreiber sind Preiskampf, Alleinstellungsmerkmale oder regionale Gesetzte (Kräfte der freien Märkte und die Vorgaben der Gesellschaft). Interne Geschäftstreiber sind die strategischen Vorgaben der Geschäftsführung. Ein Geschäft arbeitet in extern vorgegebenen Grenzen (constraints). Diese Grenzen können die das Erreichen von Geschäftszielen und die Durchführung von Vorhaben beeinflussen.

Ein Geschäft erzeugt Produkte (products) und bietet Dienstleistungen an (business services). Produkte und Dienstleistungen werden an Märkten gehandelt und sichern damit die Existenz des Geschäfts. Organisationen verpflichten ihre Akteure (actors) vertraglich zur Erfüllung von Geschäftsaufgaben (functions), normalerweise in Zusammenarbeit mit anderen Akteuren. Den Akteuren werden über Rollen (roles) Verantwortlichkeiten (responsibilities) zugewiesen, Fähigkeiten (skills) abverlangt und (organisatorische) Kompetenzen zugewiesen.

Eine Organisation wird normalerweise ausgerichtet an Geschäftsfunktionen entwickelt und ihre Organisationseinheiten (units) sind über verschiedene Standorte und Regionen (locations) verteilt. Funktionen werden von Akteuren ausgeführt und durch externe Dienstleister (third-party suppliers) unterstützt. Die Ausführung oder Durchführung von Funktionen wird beschrieben durch Geschäftsprozesse (business processes). Geschäftsfunktionen werden realisiert durch Akteure, die Geschäftsprozesse ausführen.

Ein Prozess kann zerlegt werden in

  • Ereignisse (den Prozess auslösende und vom Prozess ausgelöste)
  • Produkte (outcomes)
  • Entscheidungspunkte (decision-making steps) und Kontrollen (controls)
  • Funktionen (functions), die Prozessschritte durchführen
Ein Geschäftsservice (business service) ist eine Geschäftsfunktion mit
  • einer klaren Schnittstelle (business interface)
  • definierten Kontrollen und Überwachungen (controls, governance)
Ein Geschäftsservice wird im Rahmen eines Vertrags (service contract) vom Servicenutzer (service consumer) in Anspruch genommen. Der Vertrag stellt sicher, dass der Servicenutzer und der Geschäftsservice-Betreiber sich über einen Serviceumfang und ein Servicegüte (service level, service quality) geeinigt haben.

Was ist Unternehmensarchitektur?


Ein Unternehmen ist eine Hierarchie von Organisationseinheiten, die in Zusammenarbeit geschäftliches Engagement realisieren. Beispiele für ein solches Engagement sind die Planung, Produktion und der Verkauf eines Automobils, das Schneiden von Haaren, das Importieren und Verteilen von Waren aber auch die Arbeit einer Behörde oder das Programmieren einer Webanwendung nach Kundenwunsch. Jedes Unternehmen hat "seine" Unternehmensarchitektur. Ist im Folgenden von DER Unternehmensarchitektur die Rede, so ist damit immer die des jeweiligen Unternehmens gemeint.

Die Organisationseinheiten arbeiten dabei mehr oder weniger eng zusammen, sie nutzen gegenseitig ihre internen Dienste und greifen auf gemeinsame Ressourcen (Infrastruktur, Räume, Budget, Mitarbeiter, etc.) zu. Diese Zusammenarbeit und die Art der dabei eingegangenen Verknüpfungen und Abhängigkeiten sind explizit vorgegeben oder werden implizit gelebt. Ein Unternehmen ist aus dieser Sicht eine komplex konstruierte Maschine, die Konstruktionsprinzipien ihrer Bestandteile auf den großen Skalen ist die Architektur des Unternehmens.

Das Topmanagement in Unternehmen (Geschäftsführer, Vorstände, CxO-Ebene) sollte sehr daran interessiert sein, wie diese "Maschine" auf den Top-Skalen funktioniert und welche Leistungsparameter zu erwarten sind. Typische Fragestellungen sind:

  • Aus welchen Teilen besteht die Unternehmens-Maschine und wie wirken sie zusammen?
  • Was sind die normalen Betriebsparameter?
  • Welche Teile lassen sich optimieren? Welche Leistungssteigerung kann ich durch Restrukturierung erreichen?
  • Wo sind Investitionen am erfolgversprechendsten eingesetzt?
  • An welcher Stelle versagt meine Maschine am wahrscheinlichsten? Was passiert dann mit dem Rest der Maschine? Was kann ich ändern, um dieses Versagen zu vermeiden?
  • Kann die Maschine noch andere Dinge leisten?
Die Managementdisziplin, die sich mit solchen Fragen beschäftigt, wird Unternehmensarchitektur-Management genannt. Genau wie im Englischen wird in diesem Artikel der Architektur-Begriff für zwei unterschiedliche Sichtweisen synonym benutzen: für ein komplexes, aus Teilen zusammengesetztes System beschreibt die Architektur sowohl
  1. zugrunde liegende Konstruktionsprinzipien der Teile des Systems und deren Zusammenwirken als auch
  2. der Gestaltungsvorgang, (die Tätigkeit, der Prozess, die Fertigkeiten, die Wissenschaft, das Handwerk, die Methodik) um zu einer tragenden Konstruktion zu gelangen
Ich möchte noch einen weiteren Punkt hinzufügen, der meines Erachtens immer Bestandteil einer Architektur ist:
3. eine Symbolsprache und Vorschriften für die sachgerechte Dokumentation von Konstruktionsprinzipien

Die Managementdisziplin "Unternehmensarchitektur" hat einen hohen strategischen Wert. Entscheidungen zur Ausrichtung der Unternehmensarchitektur haben großen Einfluss auf die zukünftige Rentabilität, die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit des jeweiligen Unternehmens. Nur Unternehmen die in der Lage sind ihre "Maschine" schnell und zielsicher auf neue Business-Szenarien auszurichten, werden auf Dauer Wettbewerbern die Stirn bieten können.

Entscheidungen zur Gestaltung der Unternehmensarchitektur sind mit keiner noch so ausgefeilten Methodik auf der Grundlage von Gewissheiten zu fällen. Wäre das möglich, könnte ein Unternehmen nach fest vorgegebenen Regeln der "Unternehmenstransformation" auf der Sachbearbeiter-Ebene (also rein operativ) geführt werden. Nein, solche Entscheidungen müssen eben im Rahmen großer und unvermeidbarer Ungewissheiten erfolgen - dazu braucht man Entschlusskraft, einen guten Überblick und starkes Selbstvertrauen. Gewöhnlich werden die Unternehmenseigner Sie nur als Manager beauftragen und hoch bezahlen, wenn sie diese Eigenschaften bei Ihnen vermuten.

Also, Basisentscheidungen zur Gestaltung der Unternehmensarchitektur

  • sind durch das Top-Management im Einklang mit den strategischen Zielsetzungen der Unternehmenseigner zu fällen
  • bestimmen die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens
  • sind bei großer Ungewissheit und zumeist kurzfrisitg zu fällen
  • können durch geeignete Methodiken (Frameworks, Werkzeuge, etc.) unterstützt, aber nicht ersetzt oder automatisiert werden

Was ist TOGAF?


TOGAF ist ein Framework, das die Managementdisziplin "Unternehmensarchitektur" unterstützt. Es beinhaltet

  1. eine Taxonomie (Klassifizierungsschema) der Untersuchungsobjekte
  2. eine Methodik zur Identifizierung und Weiterentwicklung der Komponenten oder Teile der Unternehmensarchitektur
  3. Vorgaben zum Aufbau eines Repositories für die Dokumentation der Unternehmensarchitektur
  4. Werkzeuge, Vorgehensmodelle und Referenzmodelle
Die Top-Entität bei TOGAF ist die capability, das ist eine Befähigung des Unternehmens (seiner Organisationseinheiten) ein bestimmtes Ergebnis zu produzieren. Eine capability wird dabei charakterisiert durch das Zusammenwirken von
  • Mitarbeitern / people
  • Funktionen / functions
  • Prozessen / prozesses
  • Werkzeugen / tools
Dieses Zusammenwirken, Sie ahnen es, wird bestimmt/definiert durch die Komponenten der Unternehmensarchitektur. Eine umfassende Analyse aller relevanten capabilities im Unternehmen sollte dann alle Bestandteile der gesamten Unternehmensarchitektur aufdecken. "Relevanz" wiederum wird bei TOGAF hauptsächlich mit "geschäftsrelevant" gleichgesetzt. Jeder so identifizierte Bestandteil/Komponente der Unternehmensarchitektur kann nun im Rahmen eines iterativen Prozesses weiterentwickelt werden. TOGAF legt großen Wert darauf, dass die im Rahmen dieser Weiterentwicklungen anfallenden Dokumente gesammelt und zur weiteren Verwendung vorgehalten werden. Dafür wird eine verbindliche Struktur zur Ablage und eine einheitliche Form definiert.

Zielgruppe von TOGAF


Nach dieser Einleitung kommen als Zielgruppe hauptsächlich in Frage: Geschäftsführer, Vorstände, die CxO-Ebene und deren Stabsstellen. Nur hier ist letztlich genügend Macht und Einflussnahme konzentriert, um Änderungen und Korrekturen an der Unternehmensarchitektur durchsetzen zu können. Die Umsetzung der Transformation einer Komponente der Unternehmensarchitektur kann jedoch, wenn alle wesentlichen Entscheidungen gefällt wurden, durchaus an eine Stabsabteilung oder ein Projektteam delegiert werden.

Die IT eines Unternehmens ist dabei aus der Sicht von TOGAF einerseits ein gewöhnlicher Bestandteil der Unternehmensarchitektur, andererseits nimmt die IT in Bezug zur Unternehmensarchitektur eine Sonderrolle ein:

  1. auch für das Unternehmensarchitektur-Management kann eine Geschäftsautomatisierung (business automation) nur durch die IT realisiert werden
  2. die Fähigkeiten zur Geschäftsanalyse (business analysis) werden in der IT ausgebildet, die Analyse der Unternehmensarchitektur ist dabei nur ein Spezialfall
  3. Werkzeugunterstützung kann nur von der IT geliefert werden
Es wundert deshalb kaum, dass vor allem die Mitarbeiter von IT Abteilungen zu TOGAF Schulungen geschickt werden - aber eigentlich sollten dort Vertreter der Unternehmensleitung sitzen.

Stärken und Schwächen von TOGAF


Zu den Stärken von TOGAF sind zu rechnen:

  • Der Kompromisscharakter von strategischen Vorhaben wird von TOGAF klar herausgestellt.
  • Die hohe Bedeutung von Dokumentation wird betont, es wird die Einführung von Repositories für diese Dokumentation gefordert.
  • TOGAF führt eine wunderbare Taxonomie ein, allein derer wegen die Einführung von TOGAF im Unternehmen schon lohnt.
  • Das Prinzip des gap based planning erweist sich als sehr nützlich.
  • business needs werden als der zentrale Hebel für alle wesentlichen Entscheidungen angesehen.
  • Umfangreiche Checklisten erleichtern die Einführung von TOGAF.
Zu den Schwächen von TOGAF zähle ich
  • Der eher konservativer Top-Down Ansatz unterschätzt die gewaltigen Kräfte die in Unternehmen durch engagierte Mitarbeiter an der Basis entfesselt werden können.
  • Die Architecture Development Methode (ADM) als zentrale Architektur-Entwicklungsmethode hat einen starken Wasserfall-Charakter (pro Iteration)
  • TOGAF Methodik erwartet einen Projektkontext, aber ebenso wahrscheinlich ist, dass Verbesserungen der Unternehmensarchitektur als Kampagnen geplant und durchgeführt werden.
  • Die Referenzmodelle sind veraltet und unbrauchbar.
  • TOGAF ist kaum vermittelbar für Uneingeweihte. Die eigentlichen Zielgruppe, das Top Management des Unternehmens (Vorstand, CxO), kann sich kaum nebenher mit den Konzepten von TOGAF vertraut machen.
  • TOGAF betont die Messung von Businesswerten, aber echte strategische Entscheidungen sind praktisch nie einfach bewertbar (denn dann wären sie nicht strategisch, sondern könnten operativ abgewickelt werden).
  • Technologie-getriebene Architekturchanges sind nicht ausreichend adressiert.
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